Testverfahren

Charakterisierung der Studienteilnehmer hinsichtlich Pflegebedürftigkeit und Mobilität

Erfassung der Pflegebedürftigkeit
Sie wird gemäß der Vorgaben der Krankenkassen bestimmt.

Erfassung von grundlegenden Alltagsfunktionen (Barthel-Index)
Der Barthel-Index erlaubt eine deskriptive Erfassung von grundlegenden Alltagsfunktionen (Mahoney & Barthel 1965). Er besteht aus 10 Items, die nach dem Grad der Fähigkeit mit 0, 5, 10 oder 15 Punkten eingeordnet werden können. Seine Validität, Reliabilität und Sensitivität wurde in mehreren Untersuchungen belegt (Collin et al 1988, Gauggel et al. 2002, Nikolaus 2001). Es ist geplant, den aktuellen Barthel-Index (Hamburger Modifikation der Bundesarbeitsgemeinschaft Geriatrie 12/2002) einzusetzen.

Erfassung von Mobilität
Zur Bestimmung der Mobilität der Trainingsteilnehmer werden folgende standardisierte Tests in Anlehnung an die Rahmenempfehlungen der Spitzenverbände der Krankenkassen zur ambulanten geriatrischen Rehabilitation (Spitzenverbände der Krankenkassen 2004), an das STEP-Assessment (Standardised assessment for erlderly patients in primary care) (vgl. Junius & Schmidt 2004) sowie den Empfehlungen der Fachgesellschaften Deutsche Gesellschaft für Geriatrie und Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (vgl. Nikolaus 2001) herangezogen:

Timed „Up and Go“-Test
Verfahren zur Beurteilung des Körpergleichgewichts und der Gefahr eines Sturzes bei einer alltäglichen Bewegungsaufgabe mit hohem Standardisierungsgrad (Podsiadlo & Richardson 1990). Eine minimale Beweglichkeit ist allerdings Voraussetzung. Bei Probanden, die für die Ausführung mehr als 20 Sekunden benötigen, besteht eine alltagsrelevante Mobilitätseinschränkung. Der Proband darf gegebenenfalls ein Hilfsmittel (z. B. Stock) benutzen. Nach Aufforderung soll der Proband mit einem normalen und sicheren Gang bis zu einer Linie gehen, die in drei Metern Entfernung vor dem Stuhl auf dem Boden angezeichnet ist, sich dort umdrehen, wieder zurück zum Stuhl gehen und sich in die Ausgangsposition begeben. Die dafür benötigte Zeit wird in Sekunden notiert. Vor der eigentlichen Zeitmessung kann der Proband den Bewegungsablauf üben. Der Untersucher darf den Bewegungsablauf einmal demonstrieren.
Kriteriumsvalidität:
Timed „Up and Go“-Test vs. Berg Balance Scale r = -.81
Timed „Up and Go“-Test vs. Barthel Index of ADL r = -.78
Timed „Up and Go“-Test vs. Ganggeschwindigkeit r = -.61 (Pfeifer et al. 2001)

Physical Performance Battery
Der Test prüft die Funktion der unteren Extremitäten mit Hilfe von verschiedenen Subtests, die Auskunft über Gleichgewicht und Ganggeschwindigkeit geben: Drei Teilaufgaben:
- jeweils 10 Sekunden Stehen mit geschlossenen Füßen, im halben Tandemstand und im Tandemstand.
- Ganggeschwindigkeit: Gehen über eine 10m lange Strecke im zügigen Tempo
- Kraft und Ausdauer der unteren Extremitäten: 5 Chair Stand: 5maliges Aufstehen von einem Stuhl (Guralnik et al. 1994) (vgl. auch 30-s chair stand) Dieser Test ist auch 1 Item aus dem Functional Fitness Test for Older Adults von Rikli & Jones (1999) zur Messung der Kraft der Beinmuskulatur ohne großes Equipment (Rogers et al. 2003). Gemessen wird die Anzahl der vollständig erreichten Standpositionen innerhalb von 30 Sekunden bzw. wie lange die Person für 5maliges Aufstehen benötigt.

"Funtional Reach“-Test
Motorischer Funktionstest zur Erfassung des funktionsbezogenen (alltagsbezogenen) Gleichgewichts (Duncan et al. 1990). Er sei ein einfach durchführbarer Test mit relativ guter teststatischer Absicherung (Pfeifer et al. 2001). Bei dem Test wird gemessen, wie weit die Person dazu in der Lage ist, über die Länge ihrer Arme hinaus nach vorne zu reichen ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Die Messdaten werden aus den letzten 3 von 5 Versuchen abgelesen und ermittelt.

Hand-Dominanz-Test oder direkte Beobachtungen
Motorischer Funktionstest zur Erfassung der Handdominanz (Steingrüber & Lienert 1976). Er besteht aus 3 Untertests: Spurennachzeichnen, Kreisepunktieren und Quadratepunktieren auf Zeit sowohl mit der rechten als auch der linken Hand. Die Leistungsüberlegenheit einer Hand wird rechnerisch bestimmt, wobei die Handdominanz theoretisch von -100 (extreme Linkshändigkeit) bis +100 (extreme Rechtshändigkeit) variieren kann. Methodisch möglich sind auch direkte Beobachtungen bei folgenden motorischen Aktivitäten: Ballwerfen, Aufziehen der Uhr, Zähneputzen, Kämmen, Drehen des Türknopfes, Schneiden (Schere), Schneiden (Messer), Schreiben.

Handkraft
Mittels eines Vigorimeters soll die Maximalkraft der rechten und linken Hand ermittelt werden. Die Messung der Handgriffstärke erlaubt u.a. gewisse Vorhersagen für erhöhte Risiken wie Frakturen und Mortalität. Sie lässt Rückschlüsse auf die Gesamtmuskelkraft des älteren Heimbewohners zu, korreliert mit dem Ernährungszustand und kann für die Verlaufsbeurteilung Verwendung finden. Eine ausreichende Handgriffstärke ist Voraussetzung für manuelle Fähigkeiten bei allen Verrichtungen des täglichen Lebens. Eine verminderte Handgriffstärke ist ein Anzeichen für generell verminderte Muskelkraft alter Menschen und korreliert daher stark mit deutlich erhöhtem Sturz- und Frakturrisiko, mit verminderter Selbsthilfefähigkeit und erhöhter Mortalität (Hyatt et al. 1990, Phillipps 1986).

Armcurl
Armbeugen mit Gewichtsmanschette zur Messung der Kraftausdauer der Armbeugemuskulatur (modifiziert nach Rikli & Jones 1999).

Ausdauertest
Ein 2-Minuten-Gang -Test zur Messung der Ausdauerleistungsfähigkeit.


Erfassung der kognitiven Leistungsfähigkeit

Mini Mental State Examination (MMSE) nach Folstein et al. (1975)
Der MMSE-Test ist das am häufigsten angewandte Screeningverfahren für Hirnleistungsstörungen. Er besteht aus zwei Teilen: Im ersten Teil werden Orientiertheit, Gedächtnis und Aufmerksamkeit überprüft, im zweiten Teil das Benennen, Lesen und Schreiben sowie visuell konstruktive Fähigkeiten. Der Test ist weder diagnostischer Art noch dazu geeignet leichtgradige kognitive Störungen zu erfassen, aber als Screeningtest sensitiv und spezifisch für Demenz bei hospitalisierten Patienten. Es wird angenommen, dass 24 oder weniger Punkte mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine kognitive Einschränkung hinweisen.

Clock Completion Test (Watson et al. 1993)
Dieser Test erlaubt eine einfache und schnell durchführbare Überprüfung der kognitiven Leistungsfähigkeit. Er besitzt die nötige Sensitivität zur Erkennung einer leichten, aber klinisch relevanten Demenz (Junius & Schmidt 2004). Der Proband wird aufgefordert, in einen vorgezeichneten Kreis die Ziffern einer Uhr einzuzeichnen. Der Test wird mit einem vorgegebenen Scoringsystem ausgewertet. Fehler beim Zeichnen können auf ein beginnendes Demenz-Syndrom hinweisen. Der Clock Completion Test ist für Verlaufskontrollen geeignet. Er ist einfach und in kurzer Zeit durchführbar. Er ergänzt die Mini-Mental Status Examination (MMSE). Für die Auswertung empfiehlt sich das Scoring-System nach WATSON, das eine gute Sensitivität und Spezifität für die Identifikation von Demenz-Syndromen aufweist.

Erfassung des emotionalen Status
Geriatric Depression Scale (GDS nach Sheikh & Yesavage 1986). Die geriatrische Depressionsskala hat in der Kurzfassung, die 15 Fragen umfasst, internationale Anerkennung erlangt. Sie hat eine hohe Validität und Reliabilität (Nikolaus 2001).

Erfassung der sozialen Situation
Soziale Situation (SoS nach Nikolaus): Neben physischen und psychischen Faktoren spielt bei geriatrischer Diagnostik und Therapie die soziale Situation eine wichtige Rolle. Soziale Verhältnisse und Wohnsituation beeinflussen den Krankheitsverlauf und die Prognose älterer Menschen. Soziale Isolation ist ein Risikofaktor für Morbidität und Mortalität. Gebrechliche ältere Menschen benötigen Unterstützung, um weiter in ihrem Umfeld leben zu können. Unter den Bedingungen guter sozialer Einbettung können Funktionsverluste besser ausgeglichen werden und Heimaufenthalte vermieden werden. Diese Personen weisen ferner eine längere Lebenserwartung auf. Der Sozialfragebogen nach NIKOLAUS enthält Angaben über soziale Kontakte und Unterstützung, Aktivitäten, Wohnungssituation und andere. Er identifiziert soziale Risiken. Die Skala umfasst 25 Punkte. Werden weniger als 17 Punkte erreicht, besteht dringender Anlass, die soziale Gesamtsituation zu klären. Für diese Zwecke sind gute Testgütekriterien (Sensitivität, Spezifität, Reliabilität) nachgewiesen. Die Fragen werden in offener Form gestellt, d.h. sie müssen nicht wortgetreu vorgelegt werden (Nikolaus et al. 1994, Nikolaus et al. 1995).